Reisebericht 2012

Bericht unserer Reise nach Nigeria im Sommer 2012
Begleitung von Joseph und Abel zurück in ihre Heimat

26.11.2012

Flughafen Doha, Katar.

Nachdem wir dort die ganze Nacht verbracht haben, starten wir ein zweites Mal mit Ziel Lagos. Drei Weiße in einem mit Schwarzen vollbesetzten Flieger. Da wird uns doch sehr deutlich, dass hier unsere Reise nach Zentralafrika, genauer Nigeria, beginnt.

Gelandet in Lagos, einer 20 Mio. Stadt, die planlos ausufert, geht es zunächst durch den maroden Flughafen. Die Flughafen-Angestellten, hinter ihre Tresen gelümmelt, machen schnell deutlich, wer hier das Sagen hat. Es dauert alles sehr lange.

Hektisches Treiben herrscht. Gefühlte 30 Männer drängen uns ihre Hilfe auf. Doch eigentlich soll Iphaniy kommen, Josephs Bruder. Aber keiner von uns weiß wann, wo, wie? Doch dann taucht er tatsächlich auf und regelt in seiner so freundlichen Art alles. Auf geht´s zur Unterkunft bei den Schwestern. Eine Übernachtung war notwendig geworden, da der Inlandsflug nach Enugu, in Charlies Heimatort, aus zeitlichen Gründen jetzt erst am nächsten Tag starten kann.

Unser erster Eindruck

Straenszene Enugu  Die Straßen sind vollgestopft mit meist verbeulten Autos und unzähligen kleinen Motorrädern. Die Hupe ist das wichtigste Teil an einem Fahrzeug. Auffällig auch die vielen „Busse“ – irgendwie am Laufen gehaltene Bullis, in die 5 Sitzreihen eingebaut wurden, so dass 20 Menschen transportiert werden können.

Nachdem wir uns eingerichtet haben, würden wir gerne einen „Spaziergang um den Block“ machen. Vorsichthalber kontaktieren wir Charlie telefonisch. „ Zu gefährlich“, seine Antwort. Aber nach einigem Hin- und Her erlaubt er es dann doch, wenn Iphaniy, Joseph und Abel gut auf uns aufpassen.

Das Treiben auf der Straße ist hektisch und laut. Bürgersteige gibt es nicht. Etliche Leute drehen sich erstaunt nach uns drei weißen Exoten um.

Zurück in der Unterkunft gibt es auch schon bald unser erstes einheimisches Abendessen. Und zack – plötzlich geht das Licht im Speiseraum aus. Alles ganz normal. Vielleicht gibt es schon bald wieder Strom – oder auch erst später.

Am nächsten Morgen in aller Frühe geht es zum nichtstaatlichen Inlandsflughafen, der einen vertrauenserweckenden Eindruck macht. Charlie wollte uns die mehr als acht-stündige Busfahrt nach Enugu über Land nicht zumuten.

Wie wäre es jetzt mit einem Kaffee während der Wartezeit?

Beim Bezahlen kann Abel es nicht fassen. Er glaubt, dass wir Weißen übers Ohr gehauen werden. Unser Kaffee kostet mehr als 1/10 des Monatsverdienstes seiner Mutter, die als Lehrerin arbeitet. Da wird klar: Wer von hier fliegt, gehört zu den ganz reichen Nigerianern.

Charlie holt uns ab

Begrüßung durch Charlie  In Enugu angekommen holt Charlie uns ab. Er konnte von seiner Diözese ein Auto leihen, in dem wir alle gut reisen können. (Das Auto wird gerade nicht gebraucht, da zurzeit für nigerianische Priester Exerzitien angesagt sind, die Charlie wohl mit uns verbringen wird!) Hier lernen wir jetzt auch Alexandra kennen, eine junge deutsche Praktikantin, die im Krankenhaus in Nsukka arbeitet und auch von Charlie betreut wird.

Weg zu Charlies Dorf  Die Straße zu Charlies Heimatdorf ist eine rote Sandpiste mit teils abenteuerlichen Schlaglöchern. Überall begegnet uns jetzt sattes Grün. Dann haben wir Charlies Elternhaus erreicht. Wie dort üblich, wird vor dem Tor kräftig gehupt und schon bald kommt jemand angelaufen, der das Tor öffnet. Das Elternhaus ist ein wichtiger Ort für die Großfamilien. Auch die Geschwister, die in den Städten leben, richten sich durch Neu- oder Anbauten dort Wohnungen ein. Alle großen Feste werden hier gemeinsam gefeiert.

In Pastors Garten  Wir werden gut in Charlies Wohnung untergebracht. Dauerhaft wohnt dort nur seine Mutter, mit zwei Mädchen, die sie versorgen. Dafür haben diese ihren Unterhalt gesichert und können zur Schule gehen.

Obwohl bei unserer Ankunft das große Fest zu Charlies 60. Geburtstag kurz bevorsteht, nimmt er sich alle Zeit der Welt uns zu betreuen. Er hat alles geregelt.

Unser erster Morgen dort hält Sonnenschein bereit, so dass wir uns aufmachen das Dorf zu erkunden. Tja, wie sieht dort ein Dorf aus? Rote Wege, die in alle Richtungen abzweigen, führen zu Häusern, die meist in einem Abstand von 50-200 m stehen, dazwischen kleine Felder, die mit der Hacke bearbeitet werden und auf denen überwiegend Mais und Maniok wachsen. Alles ist grün, wächst üppig, überall gibt es Kokospalmen, Bananen oder Papayas. Auch sehen wir Zitrusfrüchte, Melonen und Mangos.

Unser Spaziergang führt uns zufällig zu einer Schule, die vor Jahren schon durch Charlies Initiative erbaut worden ist. Für uns erstaunlich: ein Schulgebäude dessen Klassenzimmer keine Fenster haben. Von außen macht sie einen gepflegten Eindruck.

Bei Abels Eltern zu Gast

Zu Gast bei Abels Eltern  Abel und seine Mutter Am nächsten Tag sind wir bei Abels Eltern eingeladen. Hier treffen wir auf ganz liebe und höfliche Menschen. Zuhause wohnt nur noch der jüngste Sohn, die andern vier Geschwister leben in der Stadt. Als erstes lernen wir die Gebräuche zur Darbietung der Gastfreundschaft kennen. Vom Gast zu segnende “Kola-Nuss“ (sehr bitter) und “Gardeneggs“ mit scharfer Erdnusscreme. Als Abels Vater sehr höflich fragt, ob wir ihnen die Ehre geben, bei ihnen zu essen, sagen wir gerne zu.

Mit Palmwein und netten Gesprächen verleben wir einen schönen Abend, zu dessen Abschluss Kokosnüsse mit einer langen Stange von einer Palme gestoßen und uns mitgegeben werden.

Joseph und Charlie  Wie wahrscheinlich viele wissen, ist Joseph früh in seiner Kindheit Vollwaise geworden und dann bei Verwandten aufgewachsen. Und all diese Menschen reisen jetzt zu Charlies Geburtstag an, so dass wir die große Verwandtschaft kennen lernen können. Immer wieder werden wir sehr herzlich begrüßt und es wird uns von Allen Dank ausgesprochen dafür, dass wir uns im Deutschland um Joseph gekümmert haben.

Charlies Geburtstagsfest

Begrüßungsfest der Gemeinde  Die Vorbereitungen zum Fest, mit den im ganzen Innenhof aufgestellten bunten Zelten, zeigen uns, dass etwas sehr Großes stattfinden soll. Erwartet werden etwa 300 Gäste. Die Großfamilie, viele Priester und Schwestern, ein Bischof, Nachbarn, Leute aus der Heimatgemeinde und Vertreterinnen und Vertreter aus seiner jetzigen Gemeinde in Umulokpa. (Die vielen aus seiner Heimatgemeinde bringen sich ihre Getränke selber mit.) Charlie wird niemandem die Teilnahme an seinem Fest verwehren. Alle sind willkommen. Was für ein Fest. Die morgens geschenkte Ziege ist schon mittags Teil der Verköstigung.

Fest zu Charlies 60. Geburtstag  Um 10.00 Uhr soll das Fest beginnen. Unsere kleine Reisgruppe steht 5 vor 10.00 Uhr festlich gekleidet in Landestracht, die Charlie uns schneidern lassen hat, auf dem Balkon und blickt in den ebenso festlich geschmückten Innenhof.

Aber kein Gast ist zu sehen. Sollte Charlie sich geirrt haben? Kommt, weil es keine offizielle Einladung gibt, so gut wie keiner? Ach nein! Auch jetzt gilt „African time“. Und um halb 12.00 Uhr beginnt dann tatsächlich der Gottesdienst.

Die Sonne meint es gut mit uns – zu gut. Unter der Zeltplane ist es unerträglich heiß. Aber ist nicht eigentlich Regenzeit? Stimmt. Kaum ist der Gottesdienst zu Ende, muntere Gespräche werden geführt, Charlie will sein frisch veröffentlichtes Buch „The Labourer in the Lord´s Vineyard. Challenges and prospects“ vorstellen, da öffnen sich die Schleusen des Himmels und wir dürfen erfahren, was Regenzeit in Nigeria bedeutet.

Den Festablauf stört das kaum. Ist der starke Regen abgeklungen, können die geladenen Gäste – also auch wir – sich am reichhaltigen Buffet bedienen. Um uns vor Ungemach zu schützen, achten etliche deutschsprechende Priester darauf, was ein europäischer Verdauungstrakt vertragen kann. (Nigerianische Küche ist u. a. auch höllisch scharf.) Das Fest nimmt seinen Gang. Interessant und beeindruckend, aber für uns auch anstrengend und sehr laut. Am späten Nachmittag wird dann alles wieder abgebaut. Hunderte Meter Stoffbahnen müssen aufgewickelt und Tische und Stühle wieder abtransportiert werden. Die Erwachsenen gehen nach Hause und lassen uns ihre Kinder da. Jetzt weicht auch bei Charlie die große Anspannung und er hat große Freude beim Tanz.

Reise zur Hauptstadt Abuja

Am nächsten Tag, Sonntag, will Charlie uns im Gottesdienst seiner Heimatgemeinde vorstellen.

Was die eigentliche Ursache gewesen ist, können wir nicht mehr nachvollziehen. Fakt ist aber: Adelheid und der Pastor liegen darnieder, so dass nicht an ein Verlassen des Hauses gedacht werden kann. Somit muss Johannes die Reisegruppe allein vertreten. Auch wenn der Gottesdienst für unsere Verhältnisse recht lang dauert, ist in der vollbesetzten Kirche eine nicht zu beschreibende Fröhlichkeit und Beschwingtheit zu spüren. Nach der Kommunion ist Zeit für einen Opfergang (für den Erhalt des Kirchengebäudes), Gemeindeorganisation und jetzt auch für eine Ansprache des deutschen Gastes.

Als die Daheimgebliebenen Charlie nachher fragen wie sie gewesen sei, meint er „very diplomatic“. Aber Johannes hat nur zum Ausdruck gebracht, was er empfindet. „Staying here in Nigeria, I feel in Jesus Christ we are only one great family on this earth”.

Der nächste Tag erlaubte es uns dann doch – trotz einer Verstimmung des Verdauungstraktes – in die Hauptstadt Abuja zu fahren. (Glücklicherweise finden wir das Medikament Immodium in den Apotheken immer vorrätig.)

Abuja ist trotz ihrer 3,5 Mio. Einwohner eine junge Stadt. Anders als die alte Hauptstadt Lagos gab es für Abuja 1973 einen Entwurf mit geplanter Infrastruktur für die neue Hauptstadt. Zentral im Land gelegen, als Symbol für die Vereinigung der über 400 Stämme im Land.

Straenverkauf  Für diese Reise müssen einige 100 km zurückgelegt werden. Die Straßen zur Hauptstadt natürlich in einem relativ guten, asphaltierten Zustand. Aber mit Schlaglöchern, in die man einen Kleinwagen versenken könnte. Überladene LKW, wie man sie aus Fernsehberichten kennt. Regelmäßig in einigen Kilometern Abstand Straßensperren von Polizei und Militär. Was wie Willkür und Schikane erscheint, hat zwei positive Aspekte.

Die Wegelagerer oftmals vom Stamm der Haussa, die vor wenigen Jahren hier ihr Unwesen trieben, sind zurückgedrängt und die Straßenhändler (vor allem Kinder) haben eine Chance, an den rückstauenden Fahrzeugen ihre Produkte verkaufen zu können.

Wirklich abenteuerlich wird der Verkehr, wenn die Dunkelheit einbricht. Unbeleuchtete Fahrzeuge (wozu brauche ich Licht, ich kann doch noch etwas sehen) – auch gerne als Geisterfahrer unterwegs – sind überall.

Im Hotel angekommen wird schnell klar, dass nur Zimmer für uns reserviert wurden. Eine Hotelübernachtung kostet mehr als ein Grundschullehrer im Monat verdient. Charlie, Joseph und Abel übernachten bei Verwandten.

Treffen mit dem Erzbischof von Abuja

Morgens nach dem Frühstück werden Adelheid und Johannes vom Erzbischof von Abuja freundlich angesprochen. Es gibt im Hotel eine Konferenz mit einer Moslem-Delegation zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens. Wir erleben ihn als sehr offenen und freundlichen Mann, der sich prima auf Deutsch mit uns unterhalten kann.

Blick auf die Haupttadt Abuja  Nun sind wir also in Nigerias Hauptstadt, auf die die meisten Nigerianer sehr stolz sind.

Charlie hat für uns einen ortskundigen Kollegen engagiert, der uns die Stadt aus Perspektiven zeigt, die wir alleine nie hätten finden können. Nach unserem abendlichen Besuch in einem Gartenrestaurant (sehr hipp und teuer aber mit leckerem sehr scharf gegrilltem Fisch) fahren wir zeitig zurück, da wir durch Charlies Neffen Lazarus (Sekretär des Bischofs) für den nächsten Morgen eine Einladung des Bischofs zum Entlassgottesdienst des bischöflichen Mädchengymnasiums “Regina Pacis“ erhalten hatten. Für uns der schönste Gottesdienst der Reise. So farbenfroh, freudig, gut vorbereitet – unvergessen das gesungene aber auch getanzte Glaubenbekenntnis „Yes I believe“. Anschließend Mittagessen mit dem Bischof.

Dann haben wir den Nachmittag noch zur Verfügung. Aber was tun? Durch einen Park spazieren oder durch die Innenstadt zum shoppen? – Alles viel zu gefährlich. Charlie bemüht sich mit zwei Handys ein Programm auf die Beine zu stellen.

Das dauert seine Zeit, klappt aber nicht. Dann die Frage „Was wollt Ihr denn wohl?“

„Also ganz gerne würden wir die prächtige Moschee besichtigen.“ Charlie fühlt sich bei dem Gedanken nicht recht wohl, aber uns zuliebe willigt er ein.

Erst einmal richtig anziehen. Bei den Frauen die Arme bedeckt, bei Charlie Soutane aus. Aber wir werden nicht hineingelassen. Charlie fühlt sich bestätigt, das sind „ignorante …“.

Doch jetzt ist die Zeit fortgeschritten. Wir werden Enugu nicht mehr bei Tageslicht erreichen können. Und hunderte Kilometer Nachtfahrt erscheint uns Europäern als Himmelfahrteskommando, zumal wir die Erfahrungen der Hinfahrt noch nicht ganz verarbeitet haben. Aber wir hatten ja auf dem Hinweg Celestine kennengelernt. Priester in einer armen Gemeinde, aber sein Pfarrhaus-Neubau üppig und vom Feinsten. Celeste ist ein „charismatic“ mit vielen reichen Freunden in der Hauptstadt. Während unser erster Besuch nicht von großer Freundlichkeit geprägt war, ist es jetzt anders. Ohne Probleme können wir, auch unangemeldet, in seinem Haus übernachten, in unglaublich breiten Betten, und er freut sich wohl wirklich darüber.

Charlies Gemeinde kennenlernen

Nachdem wir wieder zurück sind, bleibt nur wenig Zeit, denn nun wollen wir auch noch Charlies aktuelle Wirkungsstätte kennenlernen. Da heißt es packen und losfahren. Was muss alles mit?

Der Koch John, der Gasherd, ein großer Kanister für Benzin für das Stromaggregat in der Pfarrei, Lebensmittel und natürlich das lebendige Huhn, unser Abendessen für in zwei Tagen.

Auf dem Weg bringen wir Alex zum Hospital, in dem sie arbeitet, nach Nsukka. Sie erzählt, dass die Menschen hier nicht gerne ins Krankenhaus gehen, weil man dann meistens stirbt. Aus Todesangst verzichten die meisten Menschen bei Operationen auf Narkose; vier kräftige Helfer sind dann notwendig, den Patienten zu fixieren.

Marktstände  Einkaufen mit Charlie In Nsukka ist die größte Universität Nigerias angesiedelt. Erstaunlicherweise ist hier aber die Gefahr von Raubüberfällen und Entführungen besonders groß. Verständlich deshalb Charlies Sorge, als wir zum ersten Mal deutlich einfordern “hier“ mal über den Markt gehen zu wollen. Denn irgendwas müssen wir ja wohl einkaufen für die Zuhausegebliebenen.

Die bunten Stoffe fallen uns besonders auf. Sie leuchten in wunderbaren Farben und die Frauen wirken in den schönen Kleidern sehr elegant. Mit einer Begleiterin, die Charlie schnell organisiert hat, stürzen wir uns dann ins Marktgetümmel. Neben seinen Stoffen hätte der Pastor auch einen kleinen Jungen mitbringen können, der an seinem Bein hing und nicht mehr loslassen wollte. Froh über die schönen Einkäufe geht es dann auf nach Umulokpa.

Weg zu Charlies Dorf  Wir fahren die „sichere“ Strecke. “Sicher“ heißt durch Busch und Felder oder Schlammlöcher, die eigentlich einen allradbetriebenen Geländewagen erfordern. (Wer hier bei Dunkelheit liegen bleibt, sollte dringend das Auto verlassen und sich im Busch verstecken, wenn ihm sein Leben lieb ist.)

Die Reise ist lang und beschwerlich. Sie führt uns aus den dichter besiedelten Gebieten in eine grüne, hügelige Landschaft. Und da sind sie wieder, die roten Sandpisten mit ihren abenteuerlichen Schlaglöchern und steinigen Abschnitten, die das Auto tanzen lassen. Und alle Mitfahrer tanzen auch mit.

Dann endlich haben wir Charlies Dorf erreicht. Wir fahren an vielen kleinen Häusern und Hütten vorbei. Jetzt sehen wir das Pfarrhaus in Umulokpa. Es hebt sich von der Umgebung ab. Es ist groß und geräumig gebaut. Aber hier sind wir so richtig im Busch, in „der Wüste“ wie Charlie sagt. Nachdem sein Bischof Charlie vor gut zwei Jahren in diese Pfarrei versetzte, die er von einem frustrierten Kollegen übernehmen musste, hat er zunächst das Grundstück mit einer Mauer einfassen und eine Zisterne anlegen lassen.

Überall im Dorf liegen Stromleitungen, aber Strom gibt es hier offensichtlich so gut wie nie.

Schon am Nachmittag können wir aus der Ferne den Proben der Chöre lauschen und abends werden wir im Pfarrhof von der Gemeinde sehr herzlich willkommen geheißen. Vor allem die Kinder wollen uns wieder und wieder anfassen. Fühlt sich weiße Haut anders an?

Auch hier im Pfarrhaus kann Charlie uns zwei gute Zimmer anbieten. Die sanitären Bedingungen sind aber noch mal etwas verschärfter.

Für den kommenden Tag, Samstag, ist uns ein großer Empfang durch die Gemeinde angesagt. Der kann aber erst nachmittags stattfinden, weil am Vormittag alle Erwachsenen auf dem Markt sind.

Die Staatliche Schule  Charlies Kirche Holy Church So haben wir nach dem Frühstück Zeit, zur Kirche (Baujahr 1930, da waren gerade die ersten Missionare angekommen) herüber zu schlendern. Dann besichtigen wir die marode staatliche Schule, sowie den Rohbau der Festhalle der Frauengemeinschaft (darin steht das Gras schon wieder einen halben Meter hoch), den Klassenraum der provisorischen Grundschule und die Fundamentplatte des Schulneubaus.

Kinder in Umulokpa  Fröhlich lachend folgt uns eine ganze Traube von Kindern. Wo nur gehen all diese Kinder zur Schule?

(Eigentlich sind wir Charlie ausgebüchst, in seiner Sorge um uns, hätte er diesem Alleingang wahrscheinlich nicht zugestimmt.)

Ein Staatlicher 'Klassenraum'  In der bestehenden staatlichen Grundschule gibt es nur sehr spärliches Mobiliar, der Boden ist übersät mit Löchern und solche Löcher befinden sich auch im Dach. Die Lehrer kommen oft wochen- bis monatelang nicht zum Unterricht, da sie schon ebenso lange auch kein Gehalt mehr bekommen haben. In Nigeria sind 50 % der Einwohner unter 15 Jahren.

Tanzgruppe  Percussion der Tanzgrupp Nachmittags der Empfang durch die Gemeinde. Sie ist stolz auf ihre Tanzgruppen, die im regionalen Wettbewerb erfolgreich sind. So sehen wir Darbietungen der Mädchengruppe, der Jungmännergruppe und der Frauengruppe. Vor allem die Frauengruppe tanzt sich derart in Trance, dass sie gar nicht mehr zu stoppen ist. Es war für uns ein großes Erlebnis hier dabei sein zu dürfen.

Abstecher zu Pfarrei-Außenposten

Es ist noch Zeit bis zum Abendessen und Charlie möchte uns gerne noch zwei seiner Gottesdienstaußenstellen zeigen. Einsteigen in den kleinen Geländewagen. Und was macht der Wahnsinnige, biegt in eine Schneise ein, die vielleicht einmal als Straße vorgesehen war, in der es aber aus Sicherheitsgründen „Durchfahrt verboten“ heißen müsste.

Wir fahren über eine Bohlenbrücke, die rechts und links üppige 10 cm stehen lässt. Durch die starken Erschütterungen haben wir das Gefühl, dass unsere Organe alle nicht mehr da sind, wo sie hingehören. Weiter geht es vorbei an Reisfeldern und üppiger Vegetation.

Im 10 km entfernten Außenposten angekommen machen wir einen Abstecher durch das Dorf. Dort sehen wir eine kultische Prozession der Anhänger der Naturreligionen, die in dieser Gegend noch oft vertreten sind. Zum Ärger von Charlie sind auch seine Katholiken noch stark von den Riten der Naturreligionen geprägt.

Und dann den gleichen Weg zurück!!

Als Jugendlicher hätte man vielleicht große Lust mit einem Geländemotorrad durch diese Pisten zu heizen, aber für einen Priester, der gerade 60 geworden ist, müssen diese wöchentlichen Fahrten eine Tortur sein.

Schlammpiste nach Umulok  Den Abend lassen wir geschafft, aber voller schöner Eindrücke im Hof des Pfarrhauses ausklingen, was uns leider nicht oft geglückt ist. Es ist sternenklar, also keine Regenwolken. Gut für uns, denn am nächsten Tag sind wir in Nsukka zum Mittagessen eingeladen. Wenn es viel Regen gegeben hätte wäre die Furt nicht passierbar und die Schlammbäder der Alternativstrecke dürften für unseren Bulli mittlerweile auch zu tief sein. (Zumal dieser Bulli auch so schon arg in Mitleidenschaft gezogen worden ist.)

Der Sonntag beginnt für die Pfarrer mit der 6.00 Uhr Messe in einer dieser 6 oder 7 Außenstationen. Kurz vor 10.00 Uhr sind sie, leicht angeschlagen, erst wieder zurück. Höchste Zeit, denn um 10.00 Uhr findet auch der feierliche Gottesdienst in der Gemeinde in Holy Cross statt. In einer kleinen Prozession ziehen wir durch den Haupteingang (für Adelheid und Johannes nicht ganz alltäglich) in die Kirche ein. Die Messe wird in “Ibo“ gehalten, so dass wir leider gar nichts verstehen. Aber wir erleben auch hier wieder einen beschwingten und frohen Gottesdienst. (Abgesehen von den 4 Aufpassern, die mit ihren Stöcken unruhige Kinder oder schwätzende junge Frauen drangsalieren.)

Bodenplatte der neuen Schule  In seiner Ansprache spricht Pastor Bernd de Baey der Gemeinde Mut zu. Vieles ist schon begonnen worden und auf einen guten Weg gebracht, wie z. B. die Renovierung des Kircheninnenraumes. Für weitere Unternehmungen wie den Neubau der Grundschule sagt er Unterstützung durch unsere Gemeinde zu. Der anwesende „Chief“ (gewählter Vertreter eines Dorfes) findet freundliche Worte des Dankes und der Anerkennung, dass wir uns für ihre Holy Cross Gemeinde engagieren wollen.

Nach dem Gottesdienst sind wir umringt von Menschen (überwiegend Frauen und Kinder) die uns teilhaben lassen an ihrer Freude über unseren Besuch.

Wahrscheinlich hatte sich Charlie wirklich vorgenommen nur eine kurze Messe zu halten, damit wir pünktlich unserer Einladung zum Mittagessen folgen können. Aber das geht hier einfach nicht.

Wir haben Glück und die Furt ist passierbar. So kommen wir auf der neuen Straße tatsächlich zügig voran, erreichen unser Ziel mit nur knapp 2 Stunden Verspätung. Bei unseren Gastgeben Uche und Emanuel (zwei Priestern mit Deutschlanderfahrung) ist man ganz relaxed. Nein, wir sind nicht zu spät. Sie kennen Charlie schon lange.

In ganz netter Atmosphäre diskutieren wir, wie man Nigeria am besten von Deutschland aus unterstützen könne. Es stellt sich Ratlosigkeit ein, angesichts der Probleme dieses Landes. Aber sicher ist, dass die dringend erforderlichen Änderungen in Nigeria nur aus dem Volk selbst heraus bewirkt werden können. So ist das wichtigste Ziel, dass die Menschen Zugang zu Bildung haben, sich informieren können, um dann auch Stellung zu beziehen und sich zu engagieren. Dies kann zunächst nur durch eine gute schulische Ausbildung angeschoben werden. Nur Bildung bietet die Chance auf eine positive Entwicklung Nigerias, darin sind alle einig.

Ein schöner Nachmittag geht zu Ende. Und für uns auch spürbar unsere Reise. Bulli abgeben, Zwischenübernachtung in Enugu. Inlandsflug nach Lagos.

Am letzen Tag unserer Reise lernen wir aber auch noch eine andere Seite Nigerias kennen. Zwei alte Schulfreunde von Charlie leben in Lagos in einem neu angelegten Stadtteil für Reiche.

Alle Grundstücke extrem gegen Einbrüche gesichert. Die Kinder studieren im Ausland. Aber auch hier werden wir mit der gleichen Herzlichkeit und Offenheit empfangen wir vorher auch.

Abschied von Umulokpa  Noch mehr Abschied Jetzt nehmen wir Abschied von einem Land, in dem es heißt: „We are struggeling for life every day.“ (Wir kämpfen jeden Tag ums Überleben.)

„Jetzt geht Ihr wieder zurück in Eure Welt, – aber wir bleiben in Kontakt!“, gibt uns Joseph beim herzlichen Abschied in Lagos mit auf den Weg.

Wir sind sehr dankbar all dies erlebt haben zu dürfen.
Wir haben eine ganz andere Welt kennengelernt, dabei gibt es doch nur die eine.

Johannes Walterbusch